Kuchen, Schlamm und Bestzeit: Rodgau 2018

Letztes Jahr hatte ich mich gleich beim ersten Kontakt mit dem Rodgau-Virus infiziert. Das Rennwochenende mit eingebauten Bekloppten-Treffen ist einfach ganz nach meinem Geschmack! Da es auch Schluppenchris, meinem Partner-in-Crime in Laufdingen, so geht, war Spaß und eine gut geölte Rennmaschine garantiert!

Episch war es mal wieder, dieses berühmte Wochenende in der Frankfurter Peripherie. Schluppe hatte dafür gesorgt, dass auch ich bei den Arnsberg’schen Freunden in der Nähe von Rodgau nächtigen konnte (dafür hier vielen Dank an die ganze Familie, ich habe hervorragend geruht und gefrühstückt!). Leider mussten wir getrennt anreisen, so dass wir uns erst am Abend so richtig einstimmen konnten. Ich war als Aller-allererster im üblichen Restaurant, das sich bald aus allerhand eintrudelnden Bekloppten zur Jahreshauptversammlung des Twitterlauftreffs formte. Auch in diesem Jahr wurde das Essen auf dem Planeten Melmac fabriziert, wo es von schlecht gelaunten Eingeborenen, die Nudelesser hassen, zusammengerührt und per Overnight-Express (was hier im Gegenteil zur gleichnamigen Option bei Amazon allerdings das Gegenteil einer schnellen Lieferung bedeutet) lediglich mithilfe der Brown’schen Molekularbewegung an unseren Tisch gebracht. Schulterzuckend nahmen die Nudelesser ihr Essen zur Kenntnis; diese Tätigkeit glich der des Essens wie auf’s Haar, kann jedoch aufgrund der vollkommenen Abwesenheit von Geschmack dennoch nicht als solche bezeichnet werden. Ich selbst hatte zum Pfefferrahmschnitzel gegriffen, das in Bezug auf Preis und Leistung okay war.

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Schluppe und ich schlossen den Magen für’s Erste mit einem Eisbecher, der wirklich gut war und schnell geliefert wurde (anscheinend kannte man im Restaurant eine irdische Bezugsquelle).

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Im Gegensatz zum Essen enttäuschten die Anwesenden nicht: wir verbrachten einen lustigen und motivierenden Abend, alle voller Aufregung und Vorfreude auf das Rennen!

In unserer Unterkunft angekommen, stießen wir nicht auf unsere Gastgeber, die ausgegangen waren, aber auf Kuchen, der uns zum Verkehr freigegeben war. Wir helfen ja immer gern, wenn wir können, also schlugen wir hier nochmal zu. Die Tafel Schokolade, die wir bei unserer kleinen Strategiebesprechung auf dem Zimmer schon inhaliert hatten, sollte sich ja nicht einsam fühlen.

Nachdem alles essbare vernichtet und eine grobe Morgenplanung verabredet war, schlüpfte ich in mein Nachtlager und entschwand sogleich ins Reich der Träume. Am nächsten Morgen wachte ich gerade recht und recht gut ausgeschlafen, um am Frühstück teilzunehmen und nebenbei unsere Gastgeber kennenzulernen. Wir machten ein wenig Quatsch, erledigten, was zu erledigen war bis Schluppe und ich in Richtung Start losfuhren. Der Rest der Truppe würde zum Anfeuern nachkommen.

Pre-Race

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Das Glück bescherte uns einen Parkplatz in der Nähe des Startbüros und der Duschen und wir hüpften freudig erregt zur Startnummernausgabe. Angesichts der langen Schlange wurde Schluppe etwas nervös – nur noch eine Stunde bis zum Start! Wir müssen den Pavillon noch aufbauen! Die Startnummern und überhaupt! Ich beruhigte, so gut ich konnte und glücklicherweise behielt ich Recht: nichtmal zehn Minuten später standen wir wieder am Auto und luden uns unseren Kram auf. Nach Einrichtung des Pavillons wurde es dann doch ein wenig knapp. Auf dem Weg zum Start gesellte ich mich kurz zu den zahlreichen Herrschaften in den Wald, um genau wie sie hineinzupinkeln. Danach ging ich erleichtert zum Startblock, hatte allerdings Gunter und Schluppe verloren, mit denen ich die 5-Minuten-Tempogruppe bilden wollte. Ich gesellte mich zum Laufspatz, die endlich ihr Zeitziel preisgab und schaute mich ergebnislos nach meiner Gruppe um. Keine Chance.

Start!

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Wie so oft fiel der Startschuss dann doch unerwartet plötzlich. Ich lief erstmal alleine an und hielt an den Kurven und Kehren Ausschau. Kein Schluppe, kein Gunter. Ich traf auf Sebastian und schloss mich ihm an. Die erste Runde liefen wir unter fünf. Die Crew am Pavillon bat ich, mir beim nächsten Mal den Abstand durchzugeben. Zwei, drei Minuten würde ich für die Gruppe opfern, zehn eher nicht. Runde zwei, die ich etwas langsamer gelaufen war, ergab, dass der Abstand nur 1:10 betrug. Ich ging mit dem Gas runter und an der Begegnungsstrecke am Wendepunkt machte ich die beiden hinter mir aus. Ich wartete nach dem Ende der Begegnungsstrecke und mi großem Hallo vereinte sich unsere Gruppe.

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So liefen wir vier Runden, Gunter und ich plaudernd, Schluppe zunehmend schweigend. Der Kopf also wieder. Gunter und Schluppe vergingen sich bei fast jeder Runde am VP, ich, der ich mit Handheld lief, joggte langsam weiter und geriet so immer wieder aus dem Rhythmus. Das war nicht ganz ideal und kostete ein wenig Zeit, aber das war mir das Gruppenlaufen wert. Es machte sich aber bald bemerkbar, dass wir tempomäßig nicht bis zum Ende zusammenpassen würden. Schluppe hatte schon seit Runde fünf Anstoß an unserer Blödelei genommen und etwas Abstand zu uns aufgebaut. Nach dem Ende der sechsten Runde beschlossen wir, jeder sein eigenes Tempo zu laufen. Ich hätte gerne noch eine weitere Runde weggequatscht, doch auch mit einer unbequemen Runde alleine würde ich klarkommen.

Noch 20 Kilometer: allein, allein

Streckenabschnitte

Ich ging in mich und stellte den Maschinenmodus ein: noch vier Runden, das ist erstmal noch viel, aber die letzte Runde zählt ja nicht, die macht schon auf schmerzhafte Weise Spaß und die Vorletzte Runde geht dementsprechend einfach. Also noch zwei Runden, bis es nur noch zwei Runden sind, das geht. Mein Hirn verbiss sich in diesem Knochen, während ich einfach heimlich weiterlief und mich von Abschnitt zu Abschnitt hangelte. Das geht auf einer Fünferrunde erstaunlich gut, die Distanz ist recht übersichtlich. Richtig doof fand ich lediglich das Stück zwischen dem VP und dem ersten Waldstück: der GPS-Empfang war hier schlecht, wodurch eine langsamere Pace angezeigt wurde, zudem ging es schnurgeradeaus – das demotivierte. Ich kämpfte mit der üblichen Siehst-Du-Du-wirst-langsamer-es-fühlt-sich-so-anstrengend-an-und-Du-kackst-jetzt-ab-Dauerschleife und überlegte, mir für die letzten drei Runden mein Headset zu besorgen. Warum hatte ich das nicht eingesteckt??? Ich hielt mein Tempo knapp unter fünf und sagte mir, dass es ja bald nur noch drei Runden seien, dann sei es ja endgültig kein Ding mehr. Ich fand eine gute Ideallinie durch den Schlamm im ersten Wald, umrundete den Tisch am Wendepunkt, lief ächzend wieder an und freute mich jedes Mal über die Musik, die hier gespielt wurde. Mittlerweile war es recht einsam um mich geworden, denn ich wurde nur noch ganz selten von Überrundenden überholt und war die ganze Zeit selbst mit Überrunden beschäftigt. Keine Konstante vorm mir. Doch das gefiel mir sogar ganz gut, denn zu überholen ist gut für den Kopf und ich mag es, mein eigenes Tempo zu laufen. Im zweiten Wald wühlte ich mich durch den Schlamm und freute mich über den Grip, den meine Bondis nach über 1900 Kilometern noch immer boten. Die Steigung war zwar fühlbar, aber mittlerweile egal. Die lange Gerade zum Ziel erschien mir dieses Jahr recht lang. Wieder durchs Ziel, nur noch drei!

Noch 15 Kilometer: der lange, dunkle Fünfuhrtee der Seele

Ich sog die letzten Reste aus meiner Flasche, die ich vor zwei Runden bereits zum ersten Mal mit Cola hatte auffüllen lassen. Es war also Zeit für einen Pit Stop. Ich lief hinab bis zur Kehre nahm den Jubel am Twitterlauftreff-Pavillon mit, der jedes Mal wie ein Beschleunigungspfeil bei Mario Kart wirkte und ließ meinen Tank am VP auffüllen. Weiter ging es! Nur noch drei Runden, jetzt Kräfte gut einteilen! Auf der langen, doofen Geraden zum Wald lenkte mich mit Cola-Taktik ab: zehn Kilometer würde die nicht ganz volle Flasche auf jeden Fall halten. Sollte ich in der letzten Runde nochmal tanken? Einerseits wäre ein wenig Zucker für den Endspurt gut. Wann beginne ich den eigentlich? Wie schnell fange ich an, wie steigere ich mich? Ich setzte den Steigerungspunkt für die zweite lange Gerade nach dem Wendepunkt an. – Und die Colafrage? Ich war unentschieden, während ich weiter andere Läufer überholte und hin und wieder kurz ein paar lockere Worte mit ihnen wechselte. Wieder stapfte ich durch den Matsch und die Anhöhe hinauf. Wirklich, die Gerade zum Ziel kam mir länger vor!

Noch 10 Kilometer: okay, now relax!

Man kann sich ja selbst allerhand versprechen. Das Versprechen “lauf einfach weiter, irgendwann kommst Du in der vorletzten Runde an, und von da an geht es einfach!” hat den netten Nebeneffekt, dass es tatsächlich fast immer erfüllt wird. Hier war sie also, diese letzte Runde. Live und in Farbe! Ich lief so kontinuierlich und diszipliniert es ging, überrundete fleißig weiter und erlaubte mir Zuversicht und Entspannung. Was war jetzt mit Cola? Wie war das mit dem Endspurt? Und welche Zeit ist drin? Die Uhr zeigte eine Pace von 5:01 an. Also etwas über 4:10. Aber die Zehn muss schon stehen. Oder vielleicht geht auch eine neun? Ich rechnete ein paar Minuten und kam zu dem Präzisen Ergebnis: joa, läufste Mal weiter, siehste dann schon.
Wieder ächzte ich um den Tisch herum. Aber ich fühlte mich gut. Ich war stark und kontinuierlich durchgelaufen und würde eine schnelle Runde zehn hinlegen. Ich arbeitete mich die lange Gerade entlang, fand meinen Weg durch den Schlamm und die Anhöhe hinauf und lief den definitiv länger gewordenen Waldweg ins Ziel hinab.

Dingdingdingdingding!

Da ist sie, die letzte Runde, mit dem A-Ziel vor Augen, nicht mehr Arbeiten, nur noch zugreifen, den Sack zumachen, das Dingen nach Hause schaukeln, läuft, läuft, läuft! – Aber erstmal langsam! Leicht beschleunigt und durch Sascha und Susi angefeuert lief ich in die letzte Runde. Bis zum VP blieb ich diszipliniert. Am Musikpunkt hinter dem VP lief Enter Sandman. Yeah! Die Pferdchen nutzten den Schwung des Augenblicks, um über den Zaun zu hüpfen und los ging es! Die Pace sprang in den 4:50er-Bereich. Das fühlte sich gut an, also blieb das einfach so. Ich schnaufte ein wenig, aber es ging gut. Ich quälte mich ein letztes Mal um den Tisch am Wendepunkt und lief wieder an. Auf dem Weg in den zweiten Wald hielt ich das 4:50er Tempo gut durch und ignorierte die schmerzhaften Unebenheiten des Weges in den Wald. Ich zog noch leicht an, hatte aber mit dem Schlamm und der Anhöhe zu kämpfen. Oben angekommen, war ich auf einen Läufer in meinem Tempobereich aufgelaufen. Er blickte auf die Uhr. Ich auch: unter neun zu bleiben war allerhöchstens knapp möglich. “Das wird knapp!” sagte ich und er sagte die verbliebene Zeit an. “Ich versuche es mal!” erwiderte ich und warf alle Körner, die noch da waren, ins Feuer. Ich lief wie der Teufel. Durchschlängeln musste ich mich jetzt nicht mehr, mein Keuchen und Stöhnen kündigten mich von weitem an. Hui, die Zielgerade war definitiv länger geworden. Die Uhr raste, während das Ziel am Horizont zu kleben schien. Jetzt nicht nachlassen! Auf halber Strecke stand ein schon gefinishter Läufer und feuerte mich mit einem “Sauber!” an. Die Uhr verriet, dass es jetzt langsam unmöglich wurde. Egal, alles raushauen! Ich ächzte ins Ziel, bejubelt von Sascha und Susi, die mich mit einem Plastikleibchen versorgten. Die Uhr zeigte eine 4:10:12 an! A-Ziel erreicht, ich war zufrieden. Cola, ein Königreich für eine Cola! Und wo war denn Schluppe? Mit gefüllter Flasche watschelte ich zurück zu Susi und Sascha, wir quatschten ein wenig über das Rennen, über Laufspatz’ großartige 3:53 und hielten Ausschau nach meinem Lieblings-Mitstreiter. Zehn Minuten nach mir kam er dann endlich!

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Mit 4:20 hatte er eine hervorragende Zeit erlaufen, teilweise auch erkämpft, das sah man ihm deutlich an. Wir schlossen einander in die Arme, bejubelten uns gegenseitig und begaben uns frierend und mit den kleinen, schmerzerfüllten Schritten des Ultrafinishers zum Pavillon, wo wir unsere Sachen aufsammelten und uns auf den Weg zur Dusche machten.

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Dusche, Kuchen, Abschied

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Blödelnd begaben wir uns auf den gefühlt kilometerlangen Weg zur Dusche, wo wir uns zunächst umständlich unserer Kleidung, dann wonnevoll im heißen Wasser des Drecks an unseren Beinen entledigten. Wie ausgetauscht und verjüngt, definitiv schon ein wenig im Grinsemodus ob unserer Leistungen, verließen wir die Duschen wieder und ließen uns vom Kuchenhunger in Richtung Turnhalle treiben. Wir überboten uns gegenseitig, während wir uns unseren jeweils geplanten Kuchenverzehr schilderten, lobhudelten uns unsere Leistungen noch schöner und waren einfach mit der Gesamtsituation zufrieden. In der Turnhalle fand sich ein Großteil der Twittergruppe wieder und tauschte sich darüber aus, wie es gelaufen war und wie großartige der Laufspatz nun wirklich war, während das Objekt unserer Bewunderung ein ums andere Mal seiner Anwesenheitspflicht auf der Bühne nachkommen musste – so ist das eben, wenn an Teil der besten Damen-Mannschaft, vierte in der Frauen-Gesamtwertung und zweitschnellste in der Altersklasse ist!

Nach vielen guten Wünschen und Umarmungen mussten wir uns schließlich loseisen, denn die Liebsten warteten! So fuhren Schluppe und ich blödelnd zurück in die Unterkunft fuhren. Hier schieden wir dann für dieses Wochenende endgültig voneinander und ich machte mich auf den Heimweg.

Danke Rodgau, und auf ganz bald!

Im Herbst hatte ich meinen Trainingsplan mit Hinblick auf die 50-km-Distanz ein wenig umgestellt; der Tempogewinn auf dieser “kurzen” Ultra-Distanz sollte mir auch im dreistelligen Kilometerbereich helfen, wie es ja auch z.B. Michael Irrgang empfiehlt. Die Tempo-Option anzugehen, war ein guter Motivator für den Winter, das Zwischenziel Rodgau hat mich in Hinsicht auf Ultra-Strecken gut vorbereitet. Die Veranstaltung selbst lief gewohnt souverän organisiert ab, dafür vielen Dank an alle Beteiligten! Ich bin sehr zufrieden mit meinem Ergebnis! Und werde wenn irgend möglich auch im nächsten Jahr dabei sein.

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Jetzt heißt es, lange, lange, wirklich lange Strecken anzugehen und ganze Arbeitstage durchzulaufen, um die Flasche für die Tortour ordentlich vollzumachen. Hinzu kommen erste Gedanken zu Taktik und Crew, Logistik und überhaupt. Ich werde meine Laufpläne publik machen, vielleicht finden sich ja Trainingspartner für ganze oder Teilstrecken!

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