Der Auto- und Trailultra: Kreuzberg 50

Ein Wochenende Anfang Oktober: die Zeit für den Kreuzberg 50. In diesem Jahr hatte ein Springerdienst, den ich einfach nicht loswurde, die Teilnahme beinahe unmöglich gemacht. Der Dienst kettete mich ausgerechnet am Kreuzberg-Samstag an die heimatliche Region. Vor Mitternacht konnte ich nicht losfahren – wenn ich also am Sonntag in Dörfles an der Startlinie, die beim K50 eine Brücke ist, stehen wollte, musste ich dieses Jahr ein Kommandounternehmen starten. Dass ich an der Startlinie stehen MUSSTE, stand für mich von vornherein fest. Bei vier bis fünf Stunden Fahrt und dem Start um acht Uhr würde ich zwischen zwei und drei losfahren müssen, den Ultra laufen und Nachmittags direkt wieder zurückfahren. Das waren nicht ganz tausend Kilometer an einem Tag, sozusagen neben dem Laufultra auch noch einer auf der Autobahn. Eine völlig bescheuerte Aktion, also genau das Richtige für mich! So stand ich am Samstag zur Morningrunner-Zeit (04:00 Uhr) auf und schlug mir einen müden Tag um die Ohren. Am frühen Nachmittag ließ ich – bei schönstem Sonnenschein – sämtliche Jalousien herunter, um mich schon mal in Schlafstimmung zu bringen, verfolgte noch die Social-Media- und Messenger-Schnippsel des rauschenden Lauf-Festes, das unterdessen am Fuße des Kreuzbergs ohne mich gegeben wurde und schlief gegen 18 Uhr selig ein. Wie geplant, stand ich um zwei Uhr auf, duschte, schnappte mir ein paar Mars für die Fahrt und meinen ganzen Kram und machte mich auf den Weg ins wundervolle Nord-Süddeutschland. Der Vorteil an langen Fahrten in der Nacht ist ja das fast vollständige Ausbleiben anderen Autoverkehrs, so dass ich entsprechend schnell nach Kronach kam und den Weg auf den Elterlichen Hof Franzis fand. Hier wartete bereits die große Frühstücksrunde mit allen lieben, angereisten Gesichtern auf mich, unter ihnen auch der wohlvertraute Herr Schluppinger. Wir herzten uns, ich verteilte die bestellten T-Shirts und wir scherzten, während wir uns die Bäuche vollschlugen.
Dann ging es auch schon auf die Startbrücke, es gab das übliche Foto und dann auch schon das Startzeichen – die erste Runde liefen Schluppe und ich zusammen – und ziemlich fix.
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Die Strecke war – bis auf zwei Schlenker – genau die gleiche, wie im Vorjahr. Flo hatte lediglich dieses Jahr von einer Überquerung des Flugplatzes abgesehen und die Strecke stattdessen über ein Stoppelfeld und ein Stück durch den Wald gehen lassen.
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Die Nord-Süddeutsche Hochebene (hier mit Tiger)
Wir liefen also am Kalchwerch vorbei, bestiegen den ersten großen Downhill,, durchquerten oben die Nord-Süddeutsche Hochebene, krochen den endlosen Anstieg in Richtung Flugplatz hinauf und bogen auf die Wiese ab, die uns schließlich auf’s Stoppelfeld führte. Im Laufe des Rennens sollte dieses Feld den Namen “lasst mich einfach hier liegen” bekommen, denn die vom Aufstieg ordentlich ramponierten Beine bekamen hier den Rest.
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Durch das Waldstück ging es Schließlich auf die große Wiese, wieder durch den Wald und auf den Chapel Hill, den Downhill dahinter hinunter und dann den Fucking Hill hinauf, der mich in jeder Runde mehr zur Verzweiflung brachte, zudem zwischen der großen Wiese und dem Ende dieses Anstiegs eigentlich nur ein paar hundert Meter lagen.
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Am Fucking Hill
Wir liefen hinab nach San Francisco, diesem Singletrail im Hügel, der mich immer an die Bilder vom TNF 50-Miler erinnerte, herüber zum Kreuz das kurze Stück durch den Wald bis zum Downhell. Nach dem letzten Downhill, den wir noch hochgemusst hatten, um die kleine, fiese Schleife durch die Nord-Süddeutsche Tiefebene hinter uns zu bringen, liefen Schluppe und ich den letzten Kilometer durch die Felder. Ich sah auf die Uhr. “Sag mal, Schluppi, weißt Du eigentlich, dass wir gerade 4:55 laufen?” – “Das ist ein bisschen schnell, oder?” – “Ja!” Wirklich langsamer wurden wir aber nicht. Im VP stürzte ich mich erstmal auf den herrlichen Streuselkuchen. Schluppe machte sich schon von dannen und ich meinte großspurig, ich würde ihn ja wieder einholen. So lief ich nach der Pause los und beeilte mich, so gut es ging, doch Schluppe blieb verschwunden. Nach der zweiten Runde erfuhr ich, dass er immer noch etwas weniger als fünf Minuten vor mir war. Ich war erstaunt, denn in der zweiten Runde war ich schneller gelaufen, als für den Rest des Laufs gut war. Der Mann war heute gut drauf und die Tatsache, dass ich den ganzen Sommer kein einziges Mal die heimischen Trails betreten hatte, schlug jetzt auch zu Buche.
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Ich lief also weiter recht schnell und versuchte, den fixen Freund irgendwie einzuholen, doch er blieb wie vom Erdboden verschluckt – doch seit dem Segelflugplatz rückte ein anderes Problem in meinem Kopf in den Vordergrund: der gute, alte Kackreiz. Als ich Downhell hinunterlief dachte ich aus aktuellem Anlass sehr intensiv über Stuhlgang nach. Das Problem wurde dringlicher und mir war klar, dass ich nicht noch eine weitere Runde würde warten können. Also lief ich in die Scheune und legte meine Flasche ab. Auf den Stufen ins Haus saß Schluppe und guckte, wie er so guckt, wenn er keinen Bock mehr hat. Wie man sich doch auf die Leute verlassen kann! Ich klopfte ihm auf die Schulter und sprach ihm ermunternd zu, doch drängten mich meine eigenen Probleme mittlerweile sehr deutlich. So zog ich mich in die Ruhe des Hofklos zurück und war nach einigen Minuten doch recht erstaunt, was sich da so alles in mir angesammelt haben musste. Hatte ich nachts schlafwandelnd noch ein Fünfgängemenü gegessen? Sichtlich beeindruckt ging ich zurück in die Scheune, aß und trank, fragte nach Schluppe, der mal wieder seit fünf Minuten unterwegs war, und rannte wieder los. Wieder lief ich eine ganze Runde, ohne den Mann einzuholen. Er war nach wie vor ein paar Minuten vor mir und ich startete, ein wenig frustriert, in meine letzte Runde. Ich erklomm den großen Downhill, trottete durch die Hochebene, hechelte den Aufstieg hoch, litt auf dem Stoppelfeld, am Chapel Hill, Fucking Hill, San Francisco und lief in das kleine Waldstück – aha! Da war Schluppe vor mir. Das gab mir einen Ansporn, ihn noch einzuholen am Downhell keuchte ich an ihm vorbei – er streckte mir die Hand hin und er rief “lauf Pferdchen, lauf!” – ich rannte also weiter hinab, durch die fiese Schleife und an den Pferden vorbei in Richtung Brücke.
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Auf der anderen Seite wurde ich mit Jubel empfangen. Es waren fast sechs Stunden vergangen und ich war ziemlich fertig. Wir quatschten, aßen eine Wurst vom Grill und bekamen unsere ziemlich coole Finisher-Medaille. Nach einer schönen Dusche und ziemlich vielen Umarmungen machte ich mich wieder auf den Heimweg. Ein gelungenes Kommando-Unternehmen! Vielen Dank an Flo, Franzi und ihre Eltern, die – obwohl keine Läufer – wieder mit totalem Enthusiasmus dabei waren – das ehrt uns sehr! Und bis zum nächsten Jahr 😉

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