Drei mal laufen, dann ist die 100-Kilometer-Woche auch schon voll – im Ultra-Universum eine ganz normale Sache. In der Woche, die eigentlich der Tortour de Ruhr vorbehalten wäre, ist das örtliche Läuferfeld ganz ordentlich ausgetickt. Verständlich. Ich muss aber zugeben, dass ich nur wenig Wehmut verspüre. Die nächste Tortour kommt bestimmt – jetzt müssen wir das Beste aus der Situation machen – und können uns freuen, dass unser Sport einer der wenigen ist, die man auch während des Lockdowns ohne große Einschränkungen ausüben kann.
Für mich persönlich wird diese Woche eine voller schöner Erinnerungen und Stunden an unserem Fluss.
Montag
Meine Beine schmerzen noch ganz ordentlich von Freitag – das extrem langsame Tempo sind sie einfach nicht gewohnt. Ich bin mir sicher, dass auch heute eine Pause eine super Idee ist.
Dienstag
Für heute habe ich mir eine kurze Runde auf Phoenix vorgenommen, auf die ich mich ziemlich freue. Nach dem Loslaufen merke ich schnell, dass ich noch nicht wieder auf dem Damm bin: Meine Beine fühlen sich an, als wären sie aus Holz und ein gut dynamisches Tempo scheint nur auf der letzten Rille zu gehen. Ich versuche, in den Genussmodus zu schalten und laufe mein Ding zu Ende. Im Ziel stehen 13 Kilometer mit einer Pace von 4:30 auf der Uhr.
Mittwoch
Donnerstag habe ich frei. Der Lauf vom Dienstag hat mir gezeigt, dass ich noch nicht wieder fit bin – so schiebe ich die Ultradistanz auf den Sonntag und nehme mir vor, stattdessen am Donnerstag einen 30er zu laufen. Das lässt nur eine Funktion für den Mittwoch übrig: Pausentag!
Donnerstag
Nach einem freien Tag, der wie fünf Minuten an mir vorbeigezogen ist, mache ich mich an meinen Lauf nach Heven. Ich laufe über den Weitmarer Schlosspark auf den Springorum, dem ich nach Dahlhausen folge. Hier überquere ich den Fluss und laufe Stromaufwärts über Hattingen durch Stiepel nach Witten. Das Licht ist wundervoll und ich weiß einmal mehr, warum ich hier nicht weg will. Am Ende wird der Lauf ein wenig zäh, doch am Ende des kleinen dunklen Regenbogens steht eine Eismaschine – das hält mich bei der Stange.
Freitag
In Vorbereitung auf den Lauf am Sonntag lege ich einen Ruhetag ein.
Samstag
Auch der Samstag ist ein Ruhetag. Allerdings sind meine alten Hoka Vanquish 3 ziemlich durch. Also beschließe ich, den Dealer aufzusuchen, um für Nachschub auf der Langstreckenfront zu sorgen. Im Laden treffe ich nicht nur Rolli, sondern auch Ricarda und Jens, die eben erst mit der Packorgie in Winterberg fertiggeworden sind und dem Laufladen in Wattenscheid einen kleinen Besuch abstatten. Während ich mich gegen einen Carbon X und für einen Bondi 6 entscheide, quatschen wir ein Stündchen und freuen uns über die vielen Läufe an und um die Ruhr, die viele Tortouristen aus der Gegend geplant haben.
Zu Hause erwartet mich auch schon ein Paket mit einer coolen neuen Tortour-Softshelljacke – bestes Timing!
Sonntag
Heute steht die Ultradistanz an! Ich plane auf 70 Kilometer über die RZR-Trasse, allerdings bedeutet das eine Ehrenrunde um den Kemnader See, die an das Ende des Laufs fällt – ich bin bereits am Vortag skeptisch, ob ich diese 10 Kilometer tatsächlich laufen werde…
So starte ich mit dem Uhrzeigersinn und laufe bei schönstem Wetter über Witten nach Wetter-Wengern. Die Ebschebahntrasse führt mich hier bis Wetter-Albringhausen und von dort aus nach Hasslinghausen, wo ich wieder in die Trasse einsteige. Beim Aufstieg über die Esborner Straße merke ich die Anstrengung sehr deutlich. Im Schatten, der sich mir auf der Trasse bildet, geht es mir aber sehr schnell besser. Dennoch merke ich, dass ich zu langsam trinke und nehme mir vor, großzügiger mit der Flüssigkeit zu sein. Leider funktioniert das nicht und ich bin erst bei Kilometer 27 mit der zweiten Flasche fertig. Sehs Kilometer später merke ich, dass Flasche drei bereits ihrem Ende zugeht und ich dennoch Durst verspüre – zusätzlich ist das Unwohlsein, dass ich verspüre, ein recht sicheres Zeichen dafür, dass mir mein Flüssigkeitshaushalt gerade entgleist. Ich gönne mir die tiefen Züge an den Flaschen – ich weiß, dass ich auf den nächsten etwa zehn Kilometern eine Gelegenheit zum Auffüllen haben werde. Die Strecke kenne ich auswendig, doch sehe ich schon aus der Ferne, dass die erste Tankstelle auf der Strecke geschlossen hat. 650 Meter entfernt liegt eine Aral, die Shell am Ende der Trasse in Hattingen ist sieben Kilometer entfernt. Ich wäge ab und entscheide mich für Hattingen. Auch, wenn es nicht gut für den Kopf ist, habe ich noch genug Reserven für die sieben Kilometer. Also mache ich mich wieder auf den Weg und nehme mir vor, an der Tankstelle eine Pause einzulegen und etwas zu trinken. Für mich steht fest, dass ich die “Ehrenrunde” um den Kemnader See nicht mehr drehen werde. 60 Kilometer reichen heute völlig aus.
Endlich, nach endloser Lauferei, kommt das Ende der Trasse in Sicht und ich decke mich an der Tankstelle mit Getränken und stillem Wasser für mein Isozeug ein. Außerdem kühle ich mich mit einem Capri ab und lege etwa 20 Minuten Pause ein. Dann rappele ich mich wieder auf und gehe einige hundert Meter. Vor mir liegen nur noch 14 Kilometer, was mir jetzt sehr überschaubar erscheint. Der restliche Weg durch Hattingen und Stiepel durch die Abendsonne ist fast schon wieder ein Genuss, und selbst der Kilometer Trampelpfad auf der Ruhrwiese vor der Koster Brücke ist gar nicht so schlimm, wie ich ihn mir ausgemalt habe. Jetzt tritt allerdings ein, was ich bereits seit Hattingen befürchtet hatte: am Ende der Strecke ist noch etwas Distanz übrig. So muss ich noch ein wenig hin und her laufen und mir die fehlenden 1,8 Kilometer zusammenstoppeln. Doch irgendwann ist auch diese Qual vorbei und ich sacke zufrieden auf die Kofferraumkante.
Danach ist Zeit für die Heimfahrt, eine Dusche und Pizza.
Fazit
Eine tolle Woche! Ich hätte nach den ersten beiden Läufen der Woche nicht gedacht, dass ich den zweiten Trainingsultra innerhalb von einer Woche so entspannt würde durchlaufen können, wenn auch mit Hydrationsproblemen. 24 Grad sind zu Beginn des Sommers schon eine Belastung, die ich bei der Zufuhr von Flüssigkeit beachten muss. Das ist immer wieder eine Baustelle bei mir, die einem auch mental ein Bein stellen kann. Hier gilt die goldene Ultra-Regel: aufgegeben wird niemals vor dem VP, sondern erst, wenn dieser keine Besserung herbeigeführt hat!
Mit der zweiten dreistelligen Woche in Folge kann ich sehr zufrieden sein. Meine Beine fühlen sich kaum erschöpft an und auch der restliche Korpus ist so gut wie gar nicht beleidigt über die gestrige Zumutung. Es geht also wieder voran!
Eine Antwort auf „Trainingstagebuch KW 22“