Herbst. Ich bin wieder an einem Punkt, den ich gut kenne. So ziemlich genau vor einem Jahr habe ich mich für den WHEW 100 angemeldet, mein großes Jahresetappenziel auf dem Weg zur Tortour de Ruhr 2018. Wie auch dieses Jahr, war der Spätsommer ein wenig durchwachsen verlaufen, was die Ultradistanzen angeht. Und wie auch im letzten Jahr stehe ich wieder ehrfürchtig und zugleich begeistert vor einer Distanz, die zu bezwingen jetzt noch ein Traum zu sein scheint. Wieder werde ich die dunkle Jahreszeit nutzen, um mich diesem Traum unerbittlich Trainingskilometer um Trainingskilometer anzunähern. In vielerlei Hinsicht stehe ich also wieder an dem Punkt, an dem ich letztes Jahr bereits angekommen war; und doch bin ich dieses Jahr ein kleines Bisschen schlauer: ich weiß, dass ich mit Durchhaltewillen, hartem Training und all meiner Liebe zum Laufen schaffen werde die avisierten 100 Meilen zu einer vorstellbaren Distanz, sie denkbar zu machen.
Indem ich am Mittwoch einen wirklich lockeren und sehr beherrschten Lauf über 57km absolviert habe, habe ich bereits den ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht. Denn nach zahlreichen Fehlversuchen im Spätsommer stand ich angesichts der wieder projektierten “SchlaLa” vor einem Berg aus Kilometern, der mir ein wenig Angst eingejagt hat. Nach diesem ersten Erfolgserlebnis fühle ich mich wieder auf Kurs. Auch der erste Durchlauf des neuen Trainingsplans fühlt sich gut an, und die zweite erfolgreich absolvierte 100er-Woche nach mehreren Wochen des “Scheiterns” kündigt sich an. Es sind zwar noch sieben Monate – und die werden sich lang genug anfühlen; erfahrungsgemäß wird diese Zeit jedoch sehr schnell verstreichen und will wohlgenutzt sein, denn die Herausforderung im kommenden Frühling wird eine Nummer größer ausfallen. Das beweist allein schon die Tatsache, dass der WHEW 2018, letztes Jahr noch Jahreshöhepunkt, dieses Jahr lediglich der letzte lange Trainingslauf vor der Tortour sein wird. Durch berufliche Veränderungen, die ich jetzt noch nicht genau abschätzen kann, werde ich zudem trainingsmäßig weniger flexibel sein können und wesentlich mehr am Abend und am frühen Morgen laufen müssen – in der dunklen Jahreszeit durchaus eine zusätzliche Herausforderung. Außerdem werde ich gegen Ende der Trainingsphase noch wesentlich mehr Last fahren müssen, eventuell tatsächlich auch auf Doppel- und Dreifachdecker bauen müssen, um ähnlich gut auf die Hundert Meilen vorbereitet zu sein, wie in diesem Jahr auf den WHEW. Am Ende aber, da bin ich sicher, werde ich auch in diesem Trainingsherbst und -Winter die widrigen Bedingungen zu meiner Stärke umwandeln, indem ich mich mit Kälte, Dunkelheit, Einsamkeit und vielen Momenten der Verzweiflung und Erschöpfung konfrontiere, mich auf sie einlasse und sie überwinde; indem ich sie annehme, werde ich meine große Liebe zum Laufen weiter auf die Probe stellen, aber auch entscheidend stärken. Diese Liebe wird es sein, die das Ganze zusammenhält.
Wenn es soweit ist, wird diese Aufgabe eine Crew unglaublich toller Menschen zufallen; sie werden mich soweit unterstützen, das weiß ich schon jetzt, dass ich nicht mehr tun muss, als einen Fuß vor den anderen zu setzen und ab und an zu kauen. Diese Crew zu formen und jedem die Aufgabe zuzuteilen, die ihn und mich glücklich macht, ist die große, zusätzliche Herausforderung. Wie groß die Aufgabe sein wird, die in all ihren Einzelheiten zu lösen ich an Pfingsten mein Bestes geben werde, kann ich jetzt dennoch nur erahnen. Aber ich freue mich darauf, mich ihr zu stellen!