Ich lebe in einer Region, die jahrzehntelang durch die Arbeit geprägt worden ist. Schwere Arbeit in Kohlebergwerken und Stahlwerken und in der damit zusammenhängenden Industrie. Arbeit, die kaputtmacht. Arbeit, von der die meisten von uns heute nur noch (alb-) träumen können. Der Vorteil dieser Geschichte des Ruhrgebiets ist aber, dass man sich hier zum Einen schon vor Jahrzehnten Gedanken um Naherholung gemacht und mit den Ruhrseen und später den Radwanderwegen Orte geschaffen hat, die ganz bewusst auf Regeneration und Freizeitgestaltung ausgelegt war. Hinzu kam noch ein Netz an kleineren Erzbahntrassen, das die Landschaft und auch die größeren Städte durchschnitt und viele Orte miteinander verbindet. Auch diese Trassen sind mit dem Strukturwandel dem Radwegenetz der Region einverleibt worden; abschnittsweise dauert der Ausbau bis heute an.
Uns steht also heute ein Wegenetz zur Verfügung, das äußerst abwechslungsreich und ideal zum Laufen ist. Selbst Ultradistanzen sind ohne Probleme und fast ohne Straßenberührung möglich, was uns relativ unabhängig von offiziellen Veranstaltungen macht.
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Als mein Interesse für das Ultralaufen geweckt worden war – ich hatte mich gerade bis in die 30er-Distanzen vorgearbeitet und gemerkt, wie viel Spaß mir das Langstreckenlaufen macht – und ich mich über die Möglichkeiten in der Region zu informieren begann, stieß ich auf der Seite des Ruhrtalradwegs (RTR) auf den Rundradwanderweg “Von Ruhr zu Ruhr” (RZR), der den RTR-Abschnitt zwischen Wetter-Wengern und Hattingen nutzt und von dort über die Trassen der Kohlenbahnstrecken Wuppertal-Wichlinghausen – Hattingen und Schee – Silschede in einem weiten Bogen bis an die Stadtgrenze von Wetter zurückkehrt, wo zukünftig eine weitere Bahntrasse, die der ehemaligen Bahnline Witten – Wengern West – Schwelm durch das Elbschetal bis zurück auf den RTR in Wengern folgen soll (dieser Abschnitt soll den RZR-Radwanderweg 2017 komplettieren). Die gesamte Strecke misst rund 56 Kilometer, eine schöne Distanz also für Ultranovizen und ein schöner Trainings-Ultralauf mit abwechslungsreichen Abschnitten. Schnell landete die Strecke auf meiner Liste für den Sommer und im Dezember und Januar erkundete ich die mir nicht bekannten Streckenabschnitte zwischen Hattingen und Silschede, beginnend mit dem Trassenabschnitt zwischen der Hattinger Feuerwache und dem Bahnhof Schee. Bei diesem Lauf wurde mir recht schnell klar, dass reines Trassenlaufen definitiv nie zu meinen liebsten Beschäftigungen gehören würde, denn die 25km hin und zurück zogen sich ganz schön. Die Steigung bis zum Wendepunkt ist zwar – typisch für eine Bahntrasse dieses Typs – sehr sanft, das aber mit Nachdruck. Hinzu kommt der gleichförmige Streckenverlauf, dessen einzige Abwechslungen aus dem Wechsel zwischen Taleinschnitten und Graten besteht und die ewig langen Linkskurven lediglich ein paar genauso langgezogenen Rechtskurven wichen (selbst die Geraden, fuhr es mir in einem Moment des Wahnsinns durch mein Trassengeplagtes Hirn, sind irgendwie auch nur ineinander verschränkte Links- wie Rechtskurven). Für einen erschöpften Läufer mit 40 Kilometern in den Beinen durchaus eine zusätzliche Belastung.
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Den restlichen Teil der Strecke zwischen Hattingen und Wetter beschloss ich, im Januar als zweiten Teil eines Doppeldeckers zu erkunden. Nach 35km Traillauf mit 1000HM und einem kleinen 12km-Lauf direkt im Anschluss stieg ich am nächsten Tag in einen Bus nach Hattingen lief den Teil bis zum Bahnhof Schee erneut, aber dieses Mal mit müden Beinen, was mich durchaus an meine Grenze brachte. Der Teil zwischen Schee und Silschede gleicht dem vorangegangenen größtenteils: liiiiiiiinkskuuuuuuurvöööööö, röööööchtskuuuuurvööööööö, bääääärgaaaaauuuuuf. Den Abschnitt durch das Elbschetal am Ende des Trassenwahnsinns oberhalb von Wengern habe ich mir nach rund 70km allerdings nicht mehr zugetraut und eine kleine Abkürzung gewählt.
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Wenngleich ich also festgestellt habe, dass das Laufen auf reinen Trassenstrecken nicht im Geringsten mein Fall ist, ist der Trassenanteil im Vergleich zur Gesamtstrecke allerdings noch erträglich; der Lauf wird ausreichend abwechslungsreich sein.
Im Verlaufe des Frühlings stand schließlich meine grobe Planung für den Sommer fest, so dass sich der Juli als bester Zeitraum herauskristallisierte. Mittlerweile hatte ich auch meinen besten Freund für das Projekt begeistern können. Er hat noch keine Erfahrungen mit Ultradistanzen, ist aber ein langjähriger und erfahrener Läufer und zweifacher Marathoni. Mittlerweile hat er auch alpine Trailerfahrung gesammelt und erst vor kurzem einen beeindruckenden Lauf mit 42km und 1700HM hinter sich gebracht! Diese 56km mit ein bisschen Steigung dürften also kein wirkliches Problem für ihn darstellen.
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Nach einigem Planen und Vorbereiten startet nun also am 30 Juli tatsächlich, was mir im November noch als eine Spinnerei und ein nahezu utopisches Langzeitziel vorgekommen ist! Bis dahin muss ich noch einige lange Läufe absolvieren. Ich denke, ich werde auf der Halbmarathondistanz mit hoher Intensität arbeiten, was mir bislang eine Menge in Bezug auf die Tempohärte gebracht hat (zwei Wochen mehr Zeit und ich hätte sicher beim Vivawest-Marathon die zehn Minuten bis unter die Vier-Stunden-Marke noch wegschrubben können!), 30er mit mittlerer Intensität und einem 40er für die Grundlagenausdauer.
Ich freue mich sehr auf den Lauf und die Tatsache, dass ich dieses Erlebnis mit meinem besten Kumpel teilen kann! Wer weiß, wenn wir diese “Two-Men-Show” durchgezogen haben, könnte ich mir vorstellen, diesen Lauf regelmäßig in der Gruppe zu veranstalten!