Einmal Hermann und zurück.

Wie zwei Bekloppte sich gegenseitig durch den Wald schleiften.

Lange hatten wir auf diesen Tag hingefiebert, jeder auf seine Weise. Chris oft mit, wie es mir vorkam, ein wenig zu viel Respekt, ich eher entspannt und geradezu leichtsinnig unbedacht. 66 Kilometer, das ist ja kaum mehr, als mein letzter Lauf. Doch irgendwann in den letzten Tagen vor jener just vergangenen Samstagnacht dämmerte es mir dann doch, dass man einen Lauf entlang der Ruhr, auch, wenn er an sich auf andere Weise eine große Leistung ist, dennoch nicht für vergleichbar halten kann, wenn jener andere Lauf etwa durch den Teutoburger Wald verläuft und den Läufer nicht nur mit einstelligen Temperaturen und Dunkelheit, sondern auch mit einer nicht ganz zu vernachlässigenden Summe an Höhenmetern konfrontiert. Auf was hatte ich mich da wieder eingelassen? War ich verrückt geworden? Ich schob diese Zweifel von mir, machte meine noch vorhaltende Müdigkeit verantwortlich, die sich in meine Knochen gefressen zu haben schien. So verließ ich die Familienfeier, die mir mit Kuchen und Pizza als perfekte Pastaparty gedient hatte, ein wenig früher und setzte noch eine weitere Schlaf-Einheit auf den Trainingsplan. Nach anderthalb Stunden Ruhe fühlte ich mich wesentlich besser, war gut gelaunt und fit. Ja, Du bist wahnsinnig, aber das ist in diesem Metier eine Grundvoraussetzung, also los!

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58239 Schritte sollst Du tun – dann darfst Du Ruh’n.

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Baldeneysee, Südufer. Kurz hinter dem Haus Scheppen bleibe ich kurz stehen. Der Blick über die Schulter ist einfach zu schön, um ihn unfotografiert zu lassen. Ich halte an, pausiere meine Uhr und schieße ein schönes Bild in Richtung Villa Hügel, die dort auf ihrer Anhöhe vor diesem strahlend blauen Himmel thront. Ich mag es, diese Momente nach dem Lauf noch einmal anhand der Fotos Revue passieren zu lassen. Um die LKW, die hier überall herumstehen und dem Team zugehören, dass den am nächsten Tag stattfindenden Baldeneysee-Marathon vorbereitet, läuft gerade eine Laufgruppe von etwa 15 Personen. Sie sind mir auf den Versen, denke ich.

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Sommer Closing – Findung und Ausblick

Bislang war ich mir nicht sicher, wozu Monatsrückblicke gut sein sollten. Seltsam eigentlich, weil ich an sich sehr stark an die Reflexion durch das Schreiben glaube. Eventuell habe ich es aber nie für relevant genug gehalten, selbst meine Gedanken zu meinem eigenen Laufen und wohin ich damit will zu veröffentlichen. Vielleicht liegt das ach daran, dass bis vor kurzem noch nicht so genau wusste, wo ich damit hin will. Aber das hat sich nun geändert. Deswegen habe ich mich hingesetzt, um die letzten Monate für mich zusammen zu fassen.

Kaltstart: Jahresanfang und Frühling/Frühsommer

Mein eigentlich erstes größeres Projekt, dass ich im Herbst und Winter letzten Jahres ins Auge gefasst hatte, war der RZR-Rundwanderradweg. Diese immerhin rund 56 Kilometer lange, durchaus profilierte und von Erzbahntrassen dominierte Strecke ist als Rundkurs mit einigen Supermärkten direkt neben der Strecke, perfekt für den Einstieg. Um den Jahreswechsel herum hatte ich schließlich begonnen, die Strecke Abschnittsweise zu erkunden und auch bereits einige längere Back-to-Back-Läufe zu absolvieren. Leider habe ich mich nach meinem letzten Versuch Anfang Januar nicht an meine Regenerationszeit gehalten, so dass ich mich bei einem lächerlichen kleinen Regenlauf schwer erkältet und für fast sechs Wochen ins Aus geschossen habe. Es schlossen sich Probleme mit meinen Plattfüßen an, so dass ich im ersten Quartal kaum Laufen konnte und dementsprechend viel an gewonnenem Boden wieder verlor. Ich versuchte, aus den wenigen Wochen, die mir zur Vorbereitung auf meine Paceraufgabe bei der Tortour de Ruhr schließlich noch blieben, so viel wie möglich zu machen, doch über die 30km-Marke kam ich nicht mehr hinaus. Dennoch gewann ich in der kurzen Zeit erstaunlich viel Kondition zurück. Da ich erst bei Kilometer 150 in die Tortour einstieg, war die Pace meines “Schützlings” eh nicht mehr sonderlich hoch, so dass ich lediglich mit schmerzenden Füßen zu kämpfen hatte und fast 80 Kilometer mithalten konnte. Dazu kam, dass ich mich bereits im Herbst für den Vivawest-Marathon angemeldet hatte; ich war allerdings noch nicht sicher, ob ich so kurz nach der Tortour wirklich starten sollte. In der Woche zwischen den beiden Läufen bemerkte ich allerdings recht schnell, dass meine Beine bereits recht schnell regenerierten und beschloss, mit geringem Anspruch in Gelsenkirchen an den Start zu gehen. Der Lauf verlief erstaunlich gut (mit den Problemen, die man eben hat, wenn man keine 36er hat laufen können), so dass ich nach erfreulichen 4:10 über die Ziellinie lief. Im Anschluss lief ich sogar noch ein paar längere Strecken bei für mich noch ungewohnten, hohen Temperaturen, doch ich merkte, dass die Batterien mittlerweile ziemlich am Ende waren. Kein Wunder, denn ich hatte im Mai erstmalig die 300km-Marke geknackt. Dementsprechend gelegen kamen da die zwei Wochen Sommerurlaub, die ich komplett pausierte.

Endgültig Blut geleckt: der Hochsommer

Im Juni und Juli baute ich die Steigfähigkeit und auch die flachen Distanzen wieder auf. Ich wollte endlich mein RZR-Projekt in die Tat umsetzen und hatte zudem die Möglichkeit für mich entdeckt, mit dem Zug inn Richtung Essen zu fahren und über den Ruhrtalradweg zurück nach Hause zu laufen. Ich lief im Juli dann schon wieder bis zu 40 Kilometer und auch einen Doppeldecker mit zwei mal 30 Kilometern, was ohne Probleme gelang. Den heißen Tagen mit über 30 Grad wich ich möglichst aus, weil ich relativ hitzeempfindlich bin und mich der zusätzlichen Belastung nicht hatte aussetzen wollen.

Anfang August war es dann endlich soweit: zusammen mit meinem besten Freund und Laufpartner Basti machte ich mich an die 56 Kilometer entlang alter Kohlenbahntrassen und des Ruhrtalradwegs. Eine tolle Erfahrung!

Zusätzlich lief ich viele längere Läufe zwischen 24 und 30 Kilometern, teils allein teils gemeinsam mit Basti und nahm am Lauf “Rund um Ennepetal” teil; leider ohne mein Ziel zu erreichen, alle fünf Etappen und somit 56 Kilometer und 1700 Höhenmeter zu absolvieren. Mit Magenproblemen, die nicht zuletzt der Hitze geschuldet waren, musste ich nach 33 Kilometern aussteigen. Im Anschluss daran begann ich – auch, weil ich aufgrund einer längeren Hitzewelle keine andere Wahl hatte – auch bei hohen Temperaturen zu laufen und merkte, dass auch ich mich nach einer Weile daran gewöhnen konnte. Vielleicht wäre es mir in Ennepetal besser ergangen, wenn ich mich bereits von Anfang an mit dem Thema auseinandergesetzt und meinen Körper entsprechend trainiert hätte… Sicher eine eher triviale, aber dennoch für mich zentrale Erkenntnis des Sommers.

Bereits nach der Tortour war mir klar, dass ich Ultraläufe – ob nun Ultratrails oder die eher flachen Straßenläufe wie die Tortour oder der WHEW100 etc. – definitiv spannend finde. Ich habe es von Anfang an genossen, die Distanzen weiter auszubauen und es immer als eine tolle Erfahrung Empfunden, viele Stunden unterwegs zu sein. Dabei spielte die Herausforderung, ja oft gegen Ende auch Grenzerfahrung, durchaus eine Rolle, aber auch das Laufen in der Landschaft und der Ausstieg aus dem Alltag, das Alleinsein mit sich selbst; ich mag die Zurückgeworfenheit auf das Körperliche, aber auch auf die geistige Stärke, die man zeigen muss, wenn es mühsam und schmerzhaft wird.

Da ich kein großer Freund von festen Trainingsplänen bin, lief ich zunächst also nach Lust und Laune Langstrecken, beschäftigte mich aber dennoch mit Trainingsplanung und entsprechenden Empfehlungen von erfahrenen Trainern und Ultraläufern. Ich hatte mittlerweile den Plan gefasst, im Jahr 2017 die dreistelligen Distanzen anzugehen. Im Augenblick peile ich den WHEW 100 als meinen ersten 100km-Lauf an, und auch mit dem Kölnpfad 10×11 flirte ich bereits… Im Jahr 2018, so stand schon länger für mich fest, will ich mich schließlich um eine Teilnahme an der Tortour de Ruhr bemühen. Als Ruhranwohner und -Läufer habe ich schließlich eine gewisse emotionale Beziehung zu dieser Strecke aufgebaut.

Ich plante also eine Erhöhung meiner Longrun-Distanzen im etwa zweiwöchigen Wechsel, gepaart mit Doppeldeckerläufen und gekrönt durch Belastungswochen, die wiederum durch Regenerationswochen mit geringer Laufleistung abgefedert werden sollen. Im September habe ich bereits den ersten Belastungszyklus mit erstmalig 110 Kilometern absolviert. Dieser Monat endet nach insgesamt 348km (woduch ich meine bisherige Maximaldisstanz eines Monats um 30km erhöht habe) mit einer Regenerationswoche und guten Aussichten für die Herbst- und Wintermonate. Dieser erste Zyklus hat mir gezeigt, dass ich bereits Läufe mit großen Distanzen recht gut verdauen kann. In der ersten Belastungswoche habe ich immerhin (fast ein bisschen “by mistake”) einen 43- und einen 50-Kilometerlauf innerhalb von wenigen Tagen absolvieren können. Ein ermutigendes Ergebnis, das sehr motivierend auf mich wirkt und mein Selbstbewusstsein sehr gestärkt hat.

Ausblick: Ultratrail im Oktober – eine erste Nagelprobe

für den Oktober habe ich endlich mal wieder die Gelegenheit, an einer Veranstaltung teilzunehmen. Der Herman Nightrun, den ich in der 65km-“Double”-Kategorie laufen möchte, wird durchaus eine Herausforderung, denn die Distanz ist neu für mich, zudem profiliert, und findet außerdem – der Name verrät es bereits – in der Nacht statt. Deswegen habe ich meinen letzten Longrun über 50km bereits in der Dunkelheit enden lassen. Ich muss sagen, dass ich damit gut klarkomme, denn ich laufe ohnehin auch sehr gern alleine, und die Dunkelheit verstärkt dieses Gefühl des Alleinseins noch. Der einzig belastende Faktor (neben der Müdigkeit und der zusätzlichen Konzentration, die ein Traillauf dem Läufer abverlangt) sind in meinen Augen die Temperaturen, die selbst nach milden Oktobertagen durchaus in äußerst unangenehme Bereiche fallen können. Nichts desto trotz freue ich mich sehr auf den Lauf und die Herausforderung, und auch darauf, ein paar Bekannte wieder zu treffen und auch ein paar neue Leute kennen zu lernen.

Mit dem Training für dreistellige Läufe steht das Herbst- und Winterprogramm also einigermaßen fest. Es wird sicher nicht immer einfach sein, die vielen Kilometer in der Wochenplanung unterzubringen. Aber ich habe viel Zeit bis zum Frühling und werde im Zweifel meine Laufplanung etwas schieben, denn ich halte es für wichtig, die anderen Dinge im Leben nicht zu vernachlässigen.

Überdies ist die Ausweitung meiner Maximaldistanz nicht reiner Trainingszweck im Sinne einer Veranstaltungsvorbereitung, sondern durchaus auch Selbstzweck, denn ich schrieb es ja bereits: ich mag es einfach, weite Strecken zu laufen!

Zusammenfaassend, denke ich, kann ich sagen, dass ich mich als Läufer selbst gefunden habe. Ich weiß, wo ich hin will und habe in den letzten Monaten eine Menge gelernt, nicht zuletzt, dass ich noch eine Menge lernen und arbeiten muss. Zugleich weiß ich aber, dass ich bereits viel erreicht habe und dass meine Fähigkeit, eine Sache, die mich mit Leidenschaft erfüllt, mir jede Mühe wert ist, sehr viel gebracht hat. Ich freue mich sehr auf die kommenden Monate, die schönen, langen Läufe und sogar ein kleines Bisschen auf die Mühsal und den Hauch von Verzweiflung, der untrennbar mit dem Ultralaufen verbunden ist.

Auf geht’s – und: Glück auf!

“Mein Raumschiff steht gleich da hinten” – 50km von Essen-Zentrum nach Wetter

Essen Hauptbahnhof. Vor ein paar Jahren habe ich hier in Essen für eine Weile gearbeitet und bin mit dem Zug gependelt, deswegen kenne ich diesen Ort recht gut. Dieses Mal bin ich hergekommen, um direkt wieder nach Hause zu laufen. Von hier aus sind es etwa acht Kilometer bis auf den Ruhrtalradweg, 50 bis nach Hause. Deswegen werde ich hier starten, im Herzen von Essen. Nachdem ich meinen Laufrucksack mit den vier Trinkflaschen und der Marschverpflegung angelegt habe, fällt mein Blick auf die Karte auf meinem Smartphone. die ersten zwei bis drei Kilometer führen mich direkt nach Süden, mitten durch die Kneipen- und Restaurantmeile Rüttenscheids, bis ich auf den Radweg Annental stoße. Von hier aus führt mich diese alte Bahntrasse bis hinunter zum Fluss, wo ich auf altbekannten ‘Tortour’-Wegen dem Ruhrtalradweg folgen werde.

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Halbrund um Ennepetal

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Drei Stunden Schlaf, 32 Grad im Schatten und ein Problem mit dem Magen. Man kann ja alles mit mir machen, aber Magen, Hitze und Schlafmangel sind mein Kryptonit. Zumindest, wenn es alles gleichzeitig auf mich herniedergeht. Was blöd ist, wenn man eigentlich gerade einen Ultratrail laufen will. Wenigstens war es einer mit zahlreichen Ausstiegsoptionen.  „Halbrund um Ennepetal“ weiterlesen

Trastesse Royale – Der RZR-Ultra am 6. August 2016

Man nehme: zwei Laufbekloppte, mindestens einer davon langstreckenbekloppt, einen gemeinsamen freien Tag an einem Augustwochenende, etwas zu viel verbrachte Zeit auf der Seite des Ruhrtalradwegs, lasse das Ganze ab Februar ein wenig ziehen – und fertig ist der gereifte Plan, die komplette Länge eines Rundradwanderweges abzulaufen – na, vielleicht noch einen Hauch mehr Beklopptheit. Irgendwo im Lager der Zukunft lagern all die zukünftigen Tage, die wir geplant oder nicht geplant haben und werden just zu dem Moment, den wir Gegenwart nennen, in die lange Reihe der vergangenen und kommenden Tage eingefügt; sei ein Tag auch noch so fern, er wird irgendwann kommen. Und gehen. Unwiderbringlich. Wir können uns nur daran erinnern und eventuell ein Denkmal für ihn aufrichten.

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Schlicht, gutmütig und ausdauernd – Der Hoka One One Stinson 3 (ATR)

Als ich nach dem Tortour-Trainingslauf Ende Februar mit gehörigen Sprunggelenks-Problemen zu kämpfen hatte, war klar: es muss mehr Dämpfung her. Bei der Vorbereitung auf meine Paceraufgabe und den eine Woche später stattfindenden Vivawest-Marathon erwies sich die Anschaffung des Stinson 3 (für gelegentliche Trailausflüge habe ich mich für die ATR-Version entschieden) als gute Entscheidung: die Beschwerden verschwanden langsam wieder. Mittlerweile habe ich die Tortour, einen Marathon und unzählige Trainingsläufe (hauptsächlich Straße) hinter mich gebracht und insgesamt 620km abgerissen und bin überzeugt von diesem Schuh.

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Der Stinson 3 macht keinen Hehl aus seiner Haupteigenschaft: Vom Boden bis weit in die Wolkendecke hinein erhebt sich, leicht nach hinten aufschwingend, die Sohle, nur durch einen in der jeweiligen Designfarbe gehaltenen Zierstreifen unterbrochen. An ihrer dicksten Stelle unterm Innenknöchel hört sie erst nach sage und schreibe sechs Zentimetern damit auf und weicht endlich dem Obermaterial. Ein optisches nachdrücklicheres Versprechen, für Polsterung zu Sorgen, Polsterung und nochmals Polsterung, das durchaus gehalten wird, schon der Betrachter kann keinen berechtigten Zweifel daran hegen. Das Hoka-übliche Mesh-Material ist bis auf den Spann gepolstert und wird erst am Vorderfuß freigelegt, wo es durch eine kunststoffverstärkte Wabenstruktur eingehegt wird. Eine kleine Zehenkappe aus Kunststoffmaterial schützt den Fuß des Läufers vor seiner eigenen Ungeschicktheit. Die Zunge findet wie bei allen mir bekannten Hokas an den Schnürsenkeln Halt und ist ähnlich dick gepolstert wie der umgebende Einstieg und die Ferse. Eine sehr steife Fersenkappe schützt den rückwärtigen Fuß und bietet jede Menge Halt.

A propos: Meine ATR-Version hat ein durchaus auch auf dem Trail griffiges Profil, das natürlich nicht an “die großen” wie den Speedgoat o.ä. Geländemonster herankommt, doch auf leicht aufgeweichtem Boden kommt der Schuh durchaus gut mit. Mit 330 Gramm in Größe 42 2/3 ist er kein Leichtgewicht, aber definitiv leichter, als er aussieht!

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Pro:

  • Polsterung +: Kaum ein Schuh ist so weich und angenehm gepolstert, wie der Stinson. Dabei bemerkt man die Polsterung während eines Großteils seiner Laufstrecke gar nicht; erst, wenn es z.B. bergab geht und die Ferse zum Einsatz kommt, merkt man, wie die Sohle die Stöße der einzelnen Schritte auffängt – wofür ich stets dankbar war.
  • Dynamik und Kontrolle: Das Laufgefühl ist dabei niemals schwammig, indirekt oder undynamisch, der Schuh fühlt sich nicht anders an, als “normale” Laufschuhe wie z.B. Modelle von Asics.
  • Platz: selbst für einen Plattfuß wie mich bietet der Innenraum des Schuhs viel Platz, um sich zu entfalten. Keine Blasen, keine Schmerzen, kein Drücken, weder in der Zehenbox, noch am Fußgewölbe herrscht hier Gedränge. Auch nach 14 Stunden hat der Treter völlig neutral seine Aufgaben erledigt und den Fuß in Ruhe gelassen.

Contra:

  • Der Stinson ist ein unauffälliges, ein bisschen molliges und nicht sonderlich aufregend auftretendes Arbeitstier. Er macht seinen Job ohne großes Aufhebens. Ganz ehrlich, das ist schon das schlechteste, was mir zu diesem Schuh einfällt!

Wer sehr lang und weit rennen will, ohne seine Füße stark überzustrapazieren, findet einen gutmütigen, bequemen und viel Platz bietenden Schuh. Er sieht zwar – im Vergleich zum Clayton oder dem Speedgoat z.B. – nicht sonderlich fetzig aus und kommt in recht gedeckten Farben daher, aber so verhält er sich auch: maximal bequem, so unauffällig und auch leicht, dass man ihn kaum bemerkt und dabei doch dynamisch. Auch nach einigermaßen wahnwitzigen Distanzen verlässt der Fuß den Stinson wieder, ohne dass der Schuh ihm irgendein Leids getan hätte. Wer es also gern kuschelig hat, sollte sich diesen Schuh näher ansehen!

“Who wants to run forever?” Essen, Wetter und der Weg dazwischen.

Ein Sonntag Mitte Juli. In der Vorbereitung auf den RZR-Ultra Ende des Monats habe ich bereits Wochen zuvor einen kleinen Trainingsplan aus dem Ärmel geschüttelt. 30er, Halbmarathons, aber auch wenigstens ein Lauf mit mindestens 40 Kilometern (Aufgrund meiner Bestrebungen, die Balance zwischen Berg- und Straßentraining zu halten, wird es wohl auch bei einem bleiben). Nachdem ich in der vorletzten Woche erfolgreich einen Doppeldecker mit zwei 30k-Läufen absolviert hatte, kroch nun also der Tagesanzeiger langsam, aber gnadenlos jenem besagten Sonntag mit dem lapidaren, aber durchaus etwas bedrohlichen Kalendereintrag “40k” entgegen. Wie so oft bei Entfernungen, die man nicht mal eben so läuft, drängte sich gegen Beginn der letzten Woche die Frage der Streckenwahl auf. Die Strecke um Harkort- und Hengsteysee lässt sich zwar für einen 30er noch gut nutzen, sobald aber die vier ins Spiel kommt, bleiben einzig Runden übrig – beim besten Willen nicht meins. Meine bisherige Standardrunde hat mich von Wetter aus um den Kemnader See und zurück geführt, was mich dazu zwang, entweder einen beträchtlichen der Strecke hin und zurück zu laufen (was einer Runde nicht ganz unähnlich ist, zudem der gedoppelte Streckenanteil einige Trassenkilometer beinhaltet), oder aber etwa acht Kilometer des Rückwegs auf dem nicht mal einen Meter breiten Randstreifen der B226 zu laufen – auch keine schöne Erfahrung.

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Eine andere Möglichkeit musste also her. Vor dem “Route erstellen”-Screen von Gpsies.com sitzend, fiel mein Blick auf den Verlauf des Flusses, der dieser Region ihren Namen verliehen hat – warum nicht mit dem Zug zu einem der Flussnahen S-Banhöfe fahren und von dort aus über den Ruhrtalradweg zurücklaufen? Ich machte einige geeignete Stellen aus und entschied mich schließlich für Essen-Steele-Ost, etwa 42 Laufkilometer vom Wetteraner Bahnhof entfernt. Eine Bahnroute für den Sonntag war auch schnell ausgekaspert. Ich war hochmotiviert. Auf diese Weise war es nicht nur irgendein harter Langstreckenlauf, sondern auch ein kleines Abenteuer, so weit von zu Hause entfernt aus einem Zug zu springen und rennend die Heimreise anzutreten, zudem ich Basti hatte überzeugen können, spätestens auf der Stadtgrenze zwischen Bochum und Hattingen, etwa bei Kilometer 19, zu mir zustoßen und für eine Weile mitzulaufen. Als Streckenabschnitt der Tortour de Ruhr war mir meine Laufroute – zwar in der Gegenrichtung, aber dennoch – wohlbekannt; ich freute mich, beim Laufen einige Erinnerungen an die Zeit mit Frank vor zwei Monaten zu wecken.

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Noch leicht besorgt, ob es warm genug sein würde, stand ich schließlich am Sonntag um kurz vor zehn am heimischen Bahnhof (zur Sicherheit hatte ich ein langes Thermoshirt eingepackt). Es war etwa 21 Grad warm; die Luft wirkte bereits um diese Zeit recht feucht. Da es aber nicht unbedingt trocken bleiben sollte, war ich nach wie vor nicht sicher, ob ich bei Regen nicht doch frieren würde. Das, so wurde später sehr schnell klar, war kein Problem, mit dem ich an diesem Tag konfrontiert werden würde… Die Bahn schaffte es auch noch, die halbstündige Fahrt zum Essener Hauptbahnhof so weit zu verzögern, dass mir der Anschlusszug vor der Nase wegfuhr – eigentlich hätte ich ja zehn Minuten Zeit gehabt… Vielleicht war ich aber auch nur tiefgefroren und deswegen nicht schnell genug, denn im Zug schien jemand die Klimaanlage auf “nächste Eiszeit bitte!” eingestellt zu haben. Zum Glück kam der nächste Zug bereits 20 Minuten später, so dass ich gegen elf endlich in Steele-Ost aus dem Zug sprang und keine Zeit verlor; irgendwie war ich froh, den Rückweg zu Fuß anzutreten.

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Nachdem ich die Ruhr am Bootshaus Ruhreck überquert hatte, folgte ich der ersten Ruhrschleife in Richtung Dahlhausen. Dieser Abschnitt ist ein wenig abgelegen, der Weg relativ eng, wie der Fluss selbst. Bereits hier fing es leicht zu nieseln an, doch hörte es ebenso schnell wieder auf. Zwanzig Minuten später fielen allerdings bereits die nächsten Tropfen, und eine dunkle Wolke machte deutlich, dass es vermutlich nicht dabei bleiben würde. Ich trotze dem stärker werdenden Regen noch bis etwa Kilometer sechs, doch dann wurde es so unangenehm, dass ich in die Regenjacke schlüpfte. Keine gute Idee, wie ich bald feststellen musste, denn durch den Regen war die bereits zuvor deutlich gesteigerte Luftfeuchtigkeit nicht eben besser geworden. Nachdem nach nicht einmal zehn Minuten der Regen deutlich weniger geworden war und an der Dahlhausener Schwimmbrücke bereits ganz aufgehört hatte, war ich in meiner Jacke nicht weniger nass geworden. So machte ich erneut halt und stopfte die Jacke wieder zurück in den Rucksack. Nun die lange S-förmige Doppelschleife bis Hattingen durchlaufend, war ich schon überzeugt, in der Nacht von Radfahrern und Kanuten zu träumen (was will man an einem Sonntag auf einem Radwanderweg auch erwarten?). Von beiden Gruppen wurde ich selbst mit großem Interesse gemustert, so das ich mir manchmal ein wenig wie ein besonders seltenes Insekt vorkam…

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Im Wodantal lief ich den selben alten Leinpfad-Abschnitt mit Kopfsteinpflaster, wie bei der Tortour mit Frank, ich konnte ihn fast wie damals vor mir herlaufen sehen! Als ich Hattingen erreichte und über die Brücke an der Bochumer Straße die Ruhrseite wechselte – es war mittlerweile Mittag – war es so schwül geworden, dass mir der Schweiß nur so den Rücken herunterlief. Der hintere Teil meiner Hose klebte mir bereits komplett durchnässt am Gluteus. Eine Tatsache, die mich immer ein bisschen weinerlich macht. Während auf dem gegenüberliegenden Ufer die Henrichshütte an mir vorbeizog, begegnete ich den ersten Pokemon-Go-Spielern, die ich bislang gesehen habe; sie passten definitiv in die Kategorie der Menschen, die das Spiel erstmalig von der Couch auf einen Spaziergang getrieben hat, was mich zu der Überzeugung brachte, dass beim Start der App ein kleines Tutorial für die Benutzung von Rad- und Gehwegen eingeblendet werden sollte. Während ich in die Rauendahlstraße einbog und mit Basti telefonierte, der mich unter der “Koster-Brücke” abpassen wollte, war die Kleidernässe bereits entlang meiner Hüftknochen nach vorn gewandert. Kurz vor dem Erreichen des Treffpunkts waren nur noch die äußeren Viertel meiner Oberschenkel trocken. Auch meine stabile sechser Pace hatte ein wenig unter der Waschküchenluft gelitten. Wenige Minuten später lief ein frischer und hochmotivierter Basti seinem sichtlich angegriffenen Laufpartner entgegen. Ich nutzte eine kurze Gehpause zum Nachfüllen der Flaschen, berichtete kurz und tropfend vom bisherigen Verlauf und trieb mich wieder in einen gemäßigten Laufschritt. Schwatzend machten wir uns an den schönen Abschnitt bis zum Kemnader See, den wir – nun unter gelegentlich mitleidigen Blicken vieler entgegenkommender Spaziergänger – auf der Bochumer Seite umrundeten. Vereinzelt kam die Sonne heraus, zudem stand die Luft hier und war wirklich zum schneiden, so dass ich an meinen Tiefpunkt kam – wie ich fand, nach bereits 27km zu früh; das Wetter und die Tatsache, dass ich in den letzten Monaten fast nur bis 30km gelaufen war, schienen mir aber Erklärung genug. Bis zur Schleuse am Fähranleger lief ich nur noch auf die zwanzig Minuten zuvor besprochene Pause hin weiter. Eine von einer gleißend hellen Gloriole umstrahlte, eiskalte Cola erschien bildfüllend vor meinem geistigen Auge. Die Bestellungen dieser beiden klatschnassen Läufer (“Eine Currywurst und ein Malzbier bitte” – “Ich nehme ein alkoholfreies Weizen und zwei Cola!”) irritierten den Mann im Bootshaus deutlich. Kurz darauf ergoss sich ein weiterer, ergiebiger Schauer über das Ruhrtal, so dass wir uns mit in das kleine Zelt drängten und die zehn Regenminuten pausierten. Ich war froh, dass Basti, der zuletzt ein paar Fußprobleme gehabt hatte, gut klarkam und mich bis ins Ziel begleiten wollte.

Mit colagefüllter Trinkflasche und leicht erholt machten wir uns schließlich auf den Weg entlang der Herbeder Straße und bogen an der Zeche Nachtigall auf die Trassenstrecke nach Wengern ein. Ich trieb mich an, den Laufschritt zu halten, die nächste Gehpause am Aufstieg vom Fluß- auf das Straßenniveau kurz vor dem Wengeraner Ortseingang vor Augen. Nachdem wir wieder auf den Radweg eingebogen waren, begann das fiese letzte Stück. Die letzten vier Kilometer ziehen sich immer wie Kaugummi, nach jeder Kurve erwartet man, die neue Ruhrbrücke am Ortseingang von Alt-Wetter zu sehen und wird enttäuscht. Doch selbst dieser Abschnitt endet irgendwann und ich gönnte mir auf der langen Rampe bis auf die Brücke eine letzte Gehpause. Basti hatte begonnen, bekannte Lieder an die Situation anzupassen und anzusingen, darunter Titel wie “You’re just a private runner, running for money, dadadadaaa, dadadaaa”, oder “Who wants to run forever?”, verbunden mit der Ankündigung “je länger wir noch brauchen, desto länger werde ich noch singen!”

Oben abgekommen, liefen wir den letzten Kilometer bis zum Kreisverkehr unterhalb des Café Bonheur (ein großartiges Café übrigens, das man unbedingt mal besucht haben sollte, wenn es einen in die Gegend verschlägt!). Basti konnte endlich mit dem Singen und ich mit dem Laufen aufhören. Done. Ich fuhr Basti – nicht ohne eine weitere Flasche Cola, die wir an der nächsten Tankstelle besorgten – nach Hause und duschte, endlich daheim angekommen, solange, bis meine Fingerspitzen schrumpelig geworden waren. Nach einer kurzen Pause auf der Couch trafen wir uns am Abend beim Italiener wieder, wo wir uns reichlich und wohlverdient stärkten und das Wochenende ausklingen ließen.

Obgleich der Lauf wirklich anstrengend war – es ist gemein, wenn man als ohnehin stark schwitzender Mensch durch hohe Luftfeuchtigkeit noch weniger gekühlt wird – hat er richtig Spaß gemacht! Ich bin um ein Vielfaches angefixt, lange Strecken zu laufen und freue mich auf den RZR-Ultra, den Basti und ich in zwei Wochen angehen wollen. Zuvor startet aber am kommenden Sonntag noch mein Four-Cities-Gruppenlauf über meine liebsten Trails – viel zu tun also. Ich kann nur jedem empfehlen, sich von den immegleichen und gewohnten Laufstrecken zu lösen und hin und wieder ein kleines Abenteuer anzugehen, das kann sehr motivierend sein!

Four Cities Trailrun

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Spätestens “UWE” (Link zu meinem eigenen Bericht) hat gezeigt, dass man auch hier am unscheinbaren, südlichen Rand des Ruhrgebiets durchaus auf seine Kosten kommen kann, was Steigungen, Gefälle, Matsch und Singletrails angeht. Als Lauf auf einer “kleinen Strecke” angelegt, die alles aus den Möglichkeiten des Harkortbergs herausgeholt hat, was man dem Trailläufer antun kann, hat “UWE” dennoch nur die Spitze des Eisbergs offenbart. Das Revier zwischen Wetter, Witten, Herdecke und Dortmund ist zwar durch die Zersiedelung der Ardeyausläfer nicht hundertprozentig geschlossen, aber es bietet ohne Probleme 55 Kilometer abwechslungs- und variantenreiche Trailstrecken. Der Gruppenlauf Ende Juni und das positiv überraschte Feedback vieler Teilnehmer hat mich in der schon länger gereiften Idee bestärkt, selbst einzuladen und einige meiner Lieblingsstrecken abzulaufen. Dementsprechend habe ich basierend auf meinen bisherigen Erfahrungen eine optimierte Variante meines “Four Cities” getauften Traillaufs erstellt. Der 35-Kilometer-Kurs führt uns über etwa 1100 Höhenmeter und (wie der Name schon sagt) durch vier Städte. Er bietet sehr abwechslungsreichend Untergrund. Von Waldautobahnen bis zu tiefen Schlammlöchern und schönen Singletrails und steinigen Abschnitten ist so ziemlich alles dabei – leider auch ein paar Kilometer Asphalt, ohne geht es leider nicht – aber wir sind eben nicht im Bergischen oder im Sauerland 😉

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RZR-Ultra – zwei Typen gegen 56km

Ich lebe in einer Region, die jahrzehntelang durch die Arbeit geprägt worden ist. Schwere Arbeit in Kohlebergwerken und Stahlwerken und in der damit zusammenhängenden Industrie. Arbeit, die kaputtmacht. Arbeit, von der die meisten von uns heute nur noch (alb-) träumen können. Der Vorteil dieser Geschichte des Ruhrgebiets ist aber, dass man sich hier zum Einen schon vor Jahrzehnten Gedanken um Naherholung gemacht und mit den Ruhrseen und später den Radwanderwegen Orte geschaffen hat, die ganz bewusst auf Regeneration und Freizeitgestaltung ausgelegt war. Hinzu kam noch ein Netz an kleineren Erzbahntrassen, das die Landschaft und auch die größeren Städte durchschnitt und viele Orte miteinander verbindet. Auch diese Trassen sind mit dem Strukturwandel dem Radwegenetz der Region einverleibt worden; abschnittsweise dauert der Ausbau bis heute an.

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