What matters is that we learn to be the best version of ourselves. You are the one running the race. Nobody else can do it quite the same. So, stay loyal, stay true, and when needed, refine and turn that faucet to hot. But don’t full-out conform or sell out, because nobody can take the shot quite like you. Even if they tried, they’d probably be a mile wide and 20 degrees too cold.
Zach Miller – Hot Water
H❤te it
Wovor ich eigentlich davon liefe, bin ich schon gefragt worden, nachdem ich erzählt hatte, welchen Sport ich betreibe. Ob ich nicht wisse, dass das nicht gut für meine Knie sei, hat mich ein Kollege gefragt, der seine schon seit ein paar Jahren nur im Spiegel betrachten kann. In meiner sehr geschätzten Peer-Group aus Gleichbekloppten sind diese und die vielen anderen Sprüche, die wir zu hören bekommen, schon zu Memes geworden, die wir nicht ganz ohne Freude immer wieder in neuen Varianten zum Besten geben.
“Marathon? – Ist da nicht vor zwei Jahren einer gestorben?” Unter dem Hashtag #thingsenduranceathleteshear kann man viele wirklich abstruse Sprüche finden.
Dennoch, ein Körnchen Wahrheit steckt in der Frage, denn für viele Menschen scheint Sport eher eine Pflicht, scheinen eher sie die Getriebenen zu sein, die mithilfe des Sports vor ihrer Angst vor einer ungesunden und von Krankheit gezeichneten Zukunft davonlaufen. Auch hier ist der Sport sicher nicht nur sinn- und spaßbefreit, aber am Ende eben doch eine Pflicht. Uns Ultraläufer(wenigstens die, mit denen ich dauerhaft etwas zu tun haben möchte) – und das ist vermutlich der Grund, der Außenstehende irritiert – treibt aber tatsächlich mehr auf die Strecke, als die reine Sportbegeisterung und die Liebe zu Kuchen -nicht nur eine Stunde, sondern vier fünf, zwölf, 24 Stunden zu laufen, braucht mehr, als körperliche Fitness, mehr, als die mentale Stärke, sich eine Zeit Sub-40 auf zehn Kilometer rauszuwürgen (und das ist wirklich eine krasse Leistung). Wenn Dein Ziel 160 Kilometer von Dir entfernt ist, musst Du schon sehr dahin wollen. Und Du musst auch den Weg dazwischen irgendwie gut finden, selbst, wenn er Dich mal nicht gutfindet. Andernfalls solltest Du Dir etwas Anderes suchen.
Mit Haut und Haar: Du machst Dich selbst, niemand Anderes
Da, wo am Ende oft nur noch der Wille und die Leidensfähigkeit entscheiden, wo alles zählt, was man aufzubieten hat, bei Kilometer 50, 80, 120 eines Ultras, braucht es mehr, als trainierte Beine: es braucht jemanden, der diese Beine antreibt, eine Persönlichkeit. Der Ultraläufer, bin ich überzeugt, muss über eine Persönlichkeit verfügen, seinen ganzen Charakter ins Laufen einbringen. Er muss seinem Laufen eine Seele verleihen und daran seine eigene weiterentwickeln und kennenlernen. Es geht um’s Wachsen, darum, Dich selbst und Deine Liebe zum Laufen auf die Probe zu stellen: Schöpfung durch Erschöpfung. Erst, wenn Du an Deine Grenzen gehst und sie hin und wieder überschreitest, lernst Du Dich selbst kennen, erfährst, wie stark Du wirklich bist und was Du leisten kannst. Du merkst plötzlich, dass Du die Härten, die Dir im Training begegnen, zu einem Stein in der Mauer gegen die Widrigkeiten und Ungewissheiten eines 100-Kilometer- oder -Meilen-Laufs machen und durch beinahe alles durchkommen kannst, wenn Du nur genug Anlauf nimmst; dass es gut ist, nicht sofort aufzugeben und es zur Not hartnäckig nochmal zu versuchen. Das wird Dich verändern. Es wird Dich stolz auf schmerzende Muskeln und wunde Füße sein lassen und Dir mehr Selbstbewusstsein geben. Es wird Dich zufriedener machen und Dir verdeutlichen, wie viel der Mensch zu leisten imstande ist. Es wird Dich stolz machen, aber auch demütig. Es wird es Dir an einem kalten, verregneten Sonntagmorgen nicht viel einfacher machen, da raus zugehen und Deine Kilometer abzureißen, aber es wird Dir klarmachen, dass Du eben tun musst, was getan werden muss und Deine Zweifel am Sinn Deines Unterfangens ein wenig abfedern. Es wird Deinen Willen stärken, wenn Du Dir 50 Kilometer vorgenommen hast und schon nach fünf am liebsten umdrehen würdest.
Das macht die Ultraläuferpersönlichkeit so wichtig: man kann sie nirgendwo bestellen, sie ist selbst gemacht. Sie entsteht, weil ich alles in den Sport einbringe, einbringen muss, was ich habe. Und hier kommt für mich das Schreiben und Veröffentlichen über mein Laufen ins Spiel: es dient mir als ständige Selbstvergewisserung, als Interaktion mit mir selbst. Natürlich spielt auch das Publikum eine Rolle, aber eher als Öffentlichkeit für mein Läufer-Selbst. Social Media und Blogging ist Teil dieser Selbstproduktion, indem es mir ermöglicht, das für mich auszulegen, was mir während des Laufens widerfahren ist. Ich halte dieses laute Nachdenken – und auch die Rückmeldungen der Anderen- für sehr wichtig, eine Art mentaler Regenerationspausen, in der der Geist repariert und aufbaut, was im Training beschädigt, zerrüttet, oder angestaut worden ist.
Freilich, der Grat ist schmal, der die Entwicklung von der Überhöhung trennt, denn in beiden Fällen produzieren wir uns selbst in der Öffentlichkeit. Hier kommen die Anderen ins Spiel: als Korrektiv, das wenigstens “mit den Füßen”abstimmt, indem es bleibt oder sich davonmacht.
Pain Inc.
Zum Prozess der Selbstschöpfung und -erfindung gehören ohne Zweifel das Scheitern und die Schwäche, die Schreckgespenste der Härten und Widrigkeiten des Ultralaufens. Niemand gibt gerne zu, etwas nicht geschafft zu haben. Doch diese Schwäche zu beseitigen kann ein starker Ansporn sein, wenn die Sache selbst, das Laufen oder z.B. eine bestimmte Distanz so wichtig sind, dass man es trotzdem weiterversucht.
Es ist der Traum, sich seine persönliche “Pain Cave” häuslich einzurichten, das Leiden anzunehmen oder gar zu belächeln. Diesen Zen-artigen Zustand zu erreichen, stellt für viele Ultras ein ständiges, vielleicht lebenslanges und nie abgeschlossenes Streben dar: wie in der Zen-Philosophie kann man sich auch hier dem Zustand der Perfektion nur annähern, ihn aber niemals erreichen. Denn wie bereits oben erwähnt: es geht ums Wachsen.
Das Scheitern gehört bei einer extremen Sportart wie dem Ultralaufen definitiv dazu. Wenn es Kern des Sports ist, sich gegen körperliche, aber vor allem mentale Widrigkeiten durchzusetzen, ist das Scheitern und die Frage, wie der Athlet damit umgeht, von großer Bedeutung. Aus diesem Grund bin ich mit meinem Scheitern immer offen umgegangen: es ist ein Teil der Entwicklung und ich wusste, dass es dabei nicht bleiben würde. Mit dieser Gewissheit im Hinterkopf ist es in meinen Augen auch relativ einfach, sich damit öffentlich auseinanderzusetzen, denn es ist ja ein selbstverständlicher Teil des Sports. Dabei sollte die Auseinandersetzung aber immer konstruktiv sein: wichtig ist es, zu reflektieren, wo das Problem liegt, was man anders machen sollte und durchaus auch, nach Rat zu fragen, wenn die Antwort nicht gleich auf der Hand liegt. Bloßes Gejammer dahingegen will auf die Dauer niemand hören. Das Abwarten ist auch eine Langstrecke. Du wirst verletzt, krank oder zu eingespannt sein und auch das musst Du ohne Gequengel durchziehen, wie einen 100-Kilometer-Lauf bei acht Grad, Windstärke fünf und Regen.
Geiler Artikel! Witzig dass ich mich gerade mit meiner eigenen Verletzung beschäftige und der letzte Teil Deines Berichtes genau in diese Kerbe schlägt! Wir Sportler sind uns halt doch immer sehr nahe, egal welchen Sport wir betreiben! Liebe Grüße, Ansgar
Hallo Ansgar!
Danke für das Lob 🙂 Auch das Wartenkönnen ist eben eine Fähigkeit, die man als Sportler lernen muss!
Was du sagst, gibt wieder ein bisschen Schub die Scheisse durchzuziehen. Auch wenn es (aktuell) nicht die ganz weiten Dinger sind die ich laufe, ist es, wie du weißt, aktuell der kleine Schweinehund der unten an der Treppe sitzt.
Danke für deine Gedanken.
Kein Schwein (-ehund) zweifelt an Deiner Ultraläuferpersönlichkeit, die Bärenstark ist, weil sie ihre Schwächen zugibt und oft genug angeht. Der Schweinehund redet Dir nur Zeugs ein, weil er weiß, dass er derjenige ist, der die Angst haben muss :-*