Die Legende, die von einer Legende designed worden ist, bekommt einen Nachfolger, der jetzt schon Legende ist. Wem das reichlich legendär vorkommt, der hat Recht!
Karl Meltzer ist ein Ausnahmeläufer, bei dem man fast dazu übergehen muss, die Trailultras zu nennen, bei denen er es nicht wenigstens auf’s Podium geschafft hat. Mit ihm hat die französische Firma aus den USA mit dem hawaiianischen Namen dereinst zusammengearbeitet, um mit dem “Speedgoat” einen Trailschuh zu designen, der allerhand Fans fand und schon bald weit verbreitet war. Das Wort “Fan” würde ich für mich nicht als Selbstbeschreibung wählen, doch ich habe den Schuh trotz aller Kritikpunkte gern getragen. Als dann das wirklich schicke und mit fetzigen Farben versehene Nachfolgemodell in den Handel kam, musste ich wenigstens mal einen Blick darauf werfen und einen oder vielleicht sogar beide Füße hineinstecken (also, nicht in einen Schuh, versteht sich von selbst…). Der Dealer stand mir wie immer sehr fürsorglich zur Seite; viel Werbung machen musste er nicht, denn die Dinger waren auf Anhieb bequem! Wie so oft verließ ich den geilen Laufladen in Wattenscheid also als Besitzer neuer Laufschuhe.
Obermaterial
Der Speedgoat 2 hat wieder wirklich tolle Designs bekommen: der Schuh ist in rot-schwarz, rot, blau-grün und der in meinen Augen einzig wahren Farbkombination gelb-blau erhältlich. Das Design gefällt mir wirklich gut – ist aber ehrlich gesagt Nebensache, weil man die Farbe eh nur erkennen kann, wenn es genug Pfützen gibt, die den Dreck abwaschen. Das Obermaterial ist zweilagig angelegt und wirkt gewoben, hat auf der Fußspitze einige Luft- (und Wasser-) Einlässe und die Hoka-üblichen Kunststoff-Aufdrucke, die die Kappe an der Fußspitze bilden und am Rand der Mittelsohle verlaufen. Ab der Schnürung werden diese Aufdrucke weiter nach oben gezogen, bis sie an der Fersenkappe schließlich dominieren. Für all das hat Hoka sicher ein paar fancy Marketingnamen, die mich aber nicht die Bohne interessieren. Das Material fühlt sich angenehm an und ist spätestens im Sprungelenksbereich ordentlich gepolstert. Insgesamt lässt das Gehäuse des Speedgoat 2 mehr Fuß zu, was für mich Plattfußindianer einen großen Vorteil darstellt, da der Vorgänger auf der Innenseite doch ein wenig am Fuß gekaut hatte. Davon ist jetzt nichts mehr zu spüren und der Fuß fühlt sich wohlbehütet. In der Zehenbox herrscht tatsächlich in der vertikalen relative Enge, da der Schuh anscheinend sehr spitz zuläuft. Das hat mich dazu gezwungen, ihn statt in 48 sogar in 49 zu kaufen. Da ich durch diesen Umstand auf die Heel-Lock-Schnürung angewiesen polstert die Zunge des Schuhs den Druck der Schnürung oben nicht ausreichend ab und wird dadurch sogar manchmal ein Stück nach unten gezogen, was diesen Effekt noch verschlimmert. Diese Erfahrung hatte ich genau so auch schon beim Bondi – hier ist eine gewisse Lernkurve erforderlich, da der Toleranzbereich beim Schnüren des Schuh dadurch recht eng wird. Hier wäre ein bisschen mehr wohl ausnahmsweise mal mehr gewesen.
Mittelsohle
Die Mittelsohle enthält das übliche Hoka-Zaubermaterial, für das sich die Hoka-Marketingleute richtig tolle Namen ausgedacht haben, die ich mir aber alle weder merken kann, noch will. Wichtig ist aber, dass das Zeugs seine Arbeit macht und eine wirklich angenehme Atmosphäre beim Laufen schafft. Dem Läufer ist weder zu schwammig, noch zu unschwammig zumut, und wie gut die Schritte gedämpft werden, merkt man besonders bergab.
Außensohle
Die Außensohle wird wie so oft bei den Franko-Hawaiiano-Amerikanern von der italienischen Firma Vibram geliefert. Sie kommt mit mittelaggressivem Stollenprofil daher, das im Schlamm einigermaßen und besonders in Kombination mit feuchtem Stein richtig gut ist. Die Haltbarkeit scheint mir nach nun 500 Kilometern mit recht viel Asphalt ziemlich gut zu sein, die Abnutzung hält sich bei meinem Paar jedenfalls bislang in Grenzen.
Laufverhalten und Fazit
Der Speedgoat 2 ist nach meinem Dafürhalten ein guter Trailschuh für gemischtes Terrain, besonders, wenn es um die ganz langen Strecken geht. Der Schuh ist bequem wie kein anderer – allerdings kommt er wie die meisten meiner Hokas an seitlich abschüssigem Gelände an seine Grenzen, zumindest, wenn man ihn recht groß trägt. Seine Stärken liegen in der gut abgestimmten Dämpfung, die sich besonders bei schnelleren Downhills bemerkbar macht. Ich war jedes Mal verblüfft, wie angenehm der Schuh einem die harten Schläge machte. Die überdurchschnittliche Bequemlichkeit des Speedgoat 2 ist mir schon von mehreren Anderen bestätigt worden; ein Läufer ist gar den Berliner Mauerweglauf mit diesen Schuhen gelaufen! Bei aller Bequemlichkeit geht die Dynamik nicht verloren: es macht auch mal Bock, einen Berg runterzuballern und dabei ordentlich Fersengeld zu geben!
Die Sohle schafft Einiges weg, ist im Schlamm allerdings nicht der King of Currywurst – ein Speedgoat ist halt kein Mudclaw o.ä. und nicht auf maximale Moddertraktion ausgelegt. Dafür läuft er sich auf gemischtem Untergrund besonders angenehm und kann wie gesagt auch auf nassem Stein, Fels und Asphalt überzeugen. Angst vor nassen Füßen sollte man dabei nicht unbedingt haben, wie mich einige nasse Herbstultras gelehrt haben. Ähnlich wie der Vorgänger ist der Schuh Wasser gegenüber sehr aufgeschlossen; dieses läuft allerdings ziemlich gut ab – lediglich die Einlegesohle ist recht saugfähig und käut Flüssigkeiten genüsslich für eine Weile mit jedem Schritt wieder, ein Gefühl, das man mögen oder ignorieren können muss.
Die Achillesferse des Schuhs liegt interessanterweise vorn: wie auch beim Vorgängermodell befindet sich die Schwachstelle am Übergang zwischen Schuhflanke und -Spitze, wo das Obermaterial beim Abrollen geknickt wird. Durch die Einbuchtungen in der aufgedruckten Verstärkung bilden sich dort recht schnell Bruchstellen im Material, wenn es aufgrund von eintrocknendem Dreck spröde wird. Bei meinem Paar Speedgoat zwei erscheint das Problem aber kleiner, als beim Vorgänger, der schon richtige Löcher an diesen Stellen hat. Beim neuen Modell ist das Obermaterial zudem zweilagig, was etwas mehr Stabilität bieten dürfte. Um diese Beschädigungen zu vermeiden oder wenigstens möglichst lange hinauszuzögern, empfiehlt es sich, groben Schmutz nach jedem Gebrauch direkt zu entfernen. Angesichts der Tatsache, dass der Schuh auf den Bildern so sauber ist, wie lange nicht mehr, ist wohl klar, dass ich das eher nicht mache.
UPDATE: Dieses Problem wurde in der neuen Charge des Speedgoat 2 von Januar ausgebessert!
Wie das Bild von André Somlatzki zeigt, werden die Einkerbungen jetzt komplett überdruckt – vermutlich dürfte das Problem dadurch wenigstens wesentlich minimiert werden.
Publiée par André Somplatzki sur Jeudi 11 janvier 2018
Alles in Allem ist der Speedgoat 2 aber ein sehr robuster Schuh mit einer vergleichsweise haltbaren Sohle. Wer sich nicht auf den nächsten Tough-Mudder vorbereitet und besonders auf langen, gemischten Trails unterwegs ist, sollte ihn sich mal anziehen. Durch seine Bequemlichkeit hat man auf stundenlangen Läufen eine Sorge weniger und den Kopf nicht dauernd bei schmerzenden Füßen.
Potentielle Käufer – vor allem die mit besonders dicken Onkels – seien allerdings gewarnt: die zweite Ausgabe des Speedgoat ist vorne recht flach, also eher eine Größe größer kalkulieren!
Eine Antwort auf „Hoka One One Speedgoat 2“