Perfekt war 2016 aus läuferischer Sicht nicht, denn es finden sich große Lücken in den Monatsübersichten. Besonders der Anfang des Jahres war mit einem anderthalbmonatigen Krankheitsausfall durchaus alles andere als ideal. Dennoch steht am Ende in dieser Hinsicht die positive Erkenntnis, dass ich – trotz großer Umfangs- und Intensitätssteigerungen – keine großen Verletzungen zu beklagen hatte – anscheinend habe ich langsam meinen Weg gefunden.
Das prägende Ereignis des Jahres 2016 war für mich vor allem anderen meine Begleitung von Frank bei der Tortour de Ruhr. Sicher aufgrund des langsamen Tempos habe ich weit mehr als gedacht, nämlich fast 80 Kilometer, dabei sein können, bis meine Füße so sehr schmerzten, dass ich Frank zu sehr aufgehalten hätte. Nicht nur aufgrund des schönen Lauferlebnisses an Pfingsten an sich war dieses Erlebnis prägend, sondern auch, weil die Tortour 2016 meine läuferische Ausrichtung für die nächsten Jahre entscheiden beeinflusst hat. War ich bislang schon fasziniert vom Ultralaufen, hatte es mich spätestens nach Pfingsten endgültig. Es stand fest: 2018 würde mich nur ein Nein des Veranstalters, Überschwemmung, Erdbeben, oder Schlimmeres abhalten, auf einer der “Kurzdistanzen” von 100 oder 160 Kilometern mitzulaufen.
2018 aber, dachte ich mir, ist noch ein Weilchen weg; doch: ein großer Höhepunkt will mit Vorarbeit erreicht werden, so dass ich bereits für 2017 Ziele stecken musste. Der Common Sense der Wettkampfvorbereitung sagt: “Laufe so, wie Dein Zielrennen geschaffen wurde, auf dass Du wohlbehalten und mit allen Körperteilen ankommst, wo Du hingehörst, nämlich im Ziel!” Ein kurzer Blick nach unten beim nächsten Lauf um die Seen offenbarte, was ich schon vermutet hatte: Asphalt und Schotter, dazu eine Topographie, die in den Anstiegen auf den Damm an der Ruhr in Herdecke bereits ihren Höhepunkt fanden; so bot sich denn ein Lauf auf flacher, asphaltierter Strecke an. Trotz meiner eher geringen Zuneigung zu Trassen und trotz meiner Reserviertheit, ja vielleicht sogar Skepsis gegenüber Menschen, bei denen die Straßenbahn an der Decke fährt, aus der zudem gelegentlich nichtansässige Großtierarten fallen, entschied ich mich recht schnell für den WHEW100, einen Lauf von Wuppertal ins Hattinger Ruhrtal, bis nach Kettwig und dann durch die Dörfer wieder zurück ins Land der aus öffentlichen Verkehrsmitteln fallenden Elefanten. Dementsprechend verlagerte sich mein Laufschwerpunkt deutlich auf die Fläche; und ich muss nach vielen, vielen Stunden auf dem Ruhrtalradweg im Ton der Heimat sagen: ganz schlimm is’ dat nich’. Wenn’s auch auf dem Trail auf andere Weise schön – und manchmal bestimmt sogar schöner – ist (und ich werde die Ultradistanz mit Sicherheit in den nächsten Jahren auch auf die Trampelpfade mitnehmen), war das Laufen, Leiden und Genießen entlang der Ruhr durchaus weder fad noch schlimm.
Ich habe die Distanzen gesteigert, bin 50km und mehr gelaufen, habe die Wochenleistungen ins Dreistellige gesteigert und nun, im Dezember, zum ersten Mal über 400km Monatsleistung hinter mich gebracht. Und hier zeigt sich, wie wenig dieser Jahreswechsel eigentlich bedeutet, denn: ich bin noch lange nicht am Ziel. Bis zum WHEW am 5. Mai sind es noch einige Monate, die ich auch brauchen werde, um viele lange, lange Läufe hinter mich zu bringen – hoffentlich möglichst oft mit meiner reizenden Fahrradbegleitung im Schlepptau. Ich gehe durchaus gestärkt, aber immer noch mit einem gewissen Bammel in die letzten Monate vor meinem ersten Hunderter. Den weiteren Jahresverlauf werde ich dann, auch beeinflusst vom Ergebnis in Wuppertal, etwas spontaner planen.
Der Blick auf die Zahlen zeigt, dass das gewachsene Selbstbewusstsein durchaus begründet ist, denn ich habe mich mit 2800 Jahreskilometern im Vergleich zum Vorjahr um 1000 Kilometer gesteigert, und das, obwohl ich mit 127 Einheiten sogar zwei Mal weniger auf der Piste gewesen bin, als 2015. Zudem habe ich in 2016 300% intensiver trainiert und war mit zwölf Tagen und 18 Stunden (7:5) wesentlich länger unterwegs, habe dabei fast 44000 Höhenmeter (30000) hinter mich gebracht und 247000 Kalorien (163000) verbraucht.
All dieses Zahlenwerk bleibt aber nur ein Indikator. Viel wichtiger ist, dass ich die Faszination für die Ultradistanz nun auszuleben beginne. Das ist nicht immer ein Zuckerschlecken, sehr oft auch mit Schmerzen verbunden, aber dennoch eine Erfüllung. Und im doppelten Sinne, nämlich für die endlosen Stunden des Trainings zu jeder Jahreszeit, bbei Minustemperaturen genau so, wie im heißesten September der letzten Jahre, der mich so manches Mal bei 30 Grad hat Strecken jenseits der 50km hat laufen lassen, wie auch für die Ultraläufe selbst gilt: der Weg ist das Ziel.
Zu einem Sport, der einen gewissen Grad an Beklopptheit erfordert (und in diesem Sinne bin ich höchstqualifiziert!), trifft man meist auf einen erlesenen Haufen Gleichgesinnnter. Diesem bin ich in diesem Jahr – größtenteils über die sozialen Netzwerke, aber auch persönlich begegnet. Teil einer Gruppe dermaßen bekloppter zu sein, ist genau so gut, wie das Laufen selbst. Ihr, liebe Leute, habt mich stets amüsiert, unterhalten und vor allem inspiriert und motiviert. Ich bin sehr froh, Euch zu kennen oder noch kennenlernen zu können!
Ich hoffe, wir sehen uns in Rodgau!